CEPHEIDEN
Die Erforschung der Lichtkurve des S Pfeiles.
Vorwort
Meine Diplomarbeit, die ich schon im fernen 1997 gemäß meinen eigenen Beobachtungen verfasste, beschäftigte sich mit den Cepheiden und insbesondere mit der Erforschung eines von ihnen – des klassischen Cepheiden S Sagittae (S Sge oder S Pfeils).
Die Thematik dieser interessanten Sterne beschäftigt mich bei der Arbeit an meiner Dissertation an der Wiener Universität auch heute. Doch meine derzeitige Arbeit ist nur rein theoretisch, dabei bediene ich mich professioneller und äußerst genauer Beobachtungsdaten dieser riesigen Sonnen, die schon vor langem erhoben worden sind.
Aber an dieser Stelle würde ich gerne meine damalige Arbeit, ihren Inhalt und ihr Ergebnis vorstellen. Sie basierte ausschließlich auf meinen Amateurbeobachtungen. Verständlicherweise besitzt dieses Ergebnis keinen besonderen wissenschaftlichen Wert, denn die entsprechenden wissenschaftlich erhaltenen Ergebnisse sind nun weitaus genauer, aber für Amateurbeobachtungen und eine visuelle Bewertung ist das Resultat nicht einmal so schlecht. Die Arbeit ist daher wissenschaftlich weniger durch die Ergebnisse, als vielmehr durch die angewendete Methodik interessant.
Einleitung
Durch die Untersuchung von Himmelsobjekten erhält man die Möglichkeit einer vielseitigen Erforschung physikalischer Gesetze. Der Bau von Riesenteleskopen sowie die Nutzung von Spitzentechnologien, von astronomischen Satelliten und von Teleskopen mit untraditionellen elektromagnetischen Frequenzbereichen ermöglichen die Untersuchung von Materie, die sich in, für irdische Labors unerreichbaren, Extrembedingungen befindet.
Natürlich vollziehen sich die Untersuchungen rein passiv und die einzige Möglichkeit, Information zu gewinnen, ist die Erfassung der ankommenden Strahlung, die von den kosmischen Objekten ausgesandt wurde.
Die Hauptmasse der beobachteten Materie sammelt sich in den Sternen. Im Laufe der Evolution verändern alle Sterne ihre Größe, ihre chemische Zusammensetzung und ihre Helligkeit, aber in einigen Stadien der stellaren Evolution kann man eine Veränderung der Helligkeit in relativ kurzen, charakteristischen Zeitintervallen beobachten. Diese Sterne nennt man veränderliche Sterne.
Als Hauptinformationsquelle über die Mehrheit der veränderlichen Sterne dient bis heute die Lichtkurve – d.h. die Abhängigkeit der Helligkeit eines Sterns von der Zeit. Auf Grund seiner Charakteristika (das photometrische Verhalten des Sterns) ergibt sich eine vorläufige Klassifizierung.
Mit der Weiterentwicklung der Beobachtungsbasis und neuer Untersuchungsmethoden ergaben sich neue Klassifizierungsprinzipien (mittels Spektrum, physikalischer Modelle und Polarisation). Es kommt zur Entdeckung neuer Objekttypen und neuer Effekte, sogar bei gut erforschten Sternen, daher unterliegen auch die Klassifikationsprinzipien einer Evolution.
Die derzeit allgemein verwendete Klassifizierung entspricht jener, der vierten Ausgabe des Allgemeinen Katalogs veränderlicher Sterne. Dieser unterscheidet folgende Grundtypen der Veränderlichkeit:
Eruptive Sterne – diese verändern die Helligkeit infolge von aktiven Prozessen und Eruptionen, die in den chromosphären und koronalen Bereichen stattfinden.
Die Veränderung der Helligkeit geht üblicherweise einher mit der Bildung oder dem Ablassen von gedehnten Schichten, einem Stoffabfluss in Form eines Sternenwinds mit schwankender Intensität und/oder einer Wechselwirkung mit dem Umgebungsmedium.
Pulsierende veränderliche Sterne – diese weisen periodische Ausdehnungen und Verdichtungen der äußeren Schichten auf. Ihre Pulsationen können radial (Cepheiden) und nicht radial sein (Sterne des Typs RR Lyra bzw. Lyriden).
Bei radialen Pulsationen bleibt die Form des Sterns sphärisch, im Falle nicht radialer Pulsationen weicht sie periodisch von dieser sphärischen Form ab, dabei können sich sogar naheliegende Oberflächenteile des Sterns in entgegengesetzten Schwingungsphasen befinden.
Rotierende veränderliche Sterne – Sterne mit einer ungleichen Verteilung der Oberflächenhelligkeit oder mit einer elliptischen Form. Ihre Veränderlichkeit entsteht durch ihre Achsenrotation aus Sicht des Beobachters.
Die ungleiche Verteilung der Oberflächenhelligkeit kann entweder durch die Existenz von Sternenflecken oder allgemein durch eine ungleiche Verteilung der Temperatur bzw. der chemischen Zusammensetzung der stellaren Atmosphäre hervorgerufen werden. Dies geschieht aufgrund der Magnetfelder, deren Achse sich von der Drehachse des Sterns unterscheidet.
Explosive und nova-ähnliche veränderliche Sterne – man bezeichnet Sterne als explosiv, wenn sie Ausbrüche zeigen, die die Folgen thermonuklearer Explosionsprozesse sind, welche in den oberen Schichten (Neue Sterne) oder tief im Inneren (Supernova-Sterne) stattfinden.
Die meisten explosiven und nova-ähnlichen veränderlichen Sterne sind enge Doppelsysteme, deren Komponenten überaus starke Wirkungen auf die Evolution des jeweils anderen ausüben.
Bedeckungsveränderliche Sterne – Doppel- oder Mehrfachsysteme, in denen es möglich ist, volle bzw. partielle Finsternisse der Komponenten zu beobachten.
Die Bezeichnung dieser konkreten veränderlichen Sterngruppen bezieht sich auf Prototypen, d.h. auf Sterne, deren Veränderlichkeit erstmals entdeckt bzw. untersucht wurde.
Klassische Cepheiden – das sind genau jene Sterne, die radial und sehr genau pulsieren (mit der Genauigkeit eines Uhrwerks!). Ihr Prototyp ist Delta des Cephei (daher die Bezeichnung).
Die Einzigartigkeit dieser Sterne, welche noch zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts entdeckt wurde, ist die Möglichkeit, ihre Helligkeit (oder ihre absolute Magnitude) über die Periode der Helligkeitsveränderung bzw. ihre Pulsation abschätzen zu können.
Dadurch ergibt sich automatisch die Entfernung zu ihnen, was diese Sterne in der Astronomie ausgesprochen wichtig macht, vor allem als Objekte, mit deren Hilfe man die Skalen kosmischer Entfernungen präzisiert.
Vor allem, wenn man bedenkt, das diese Sterne Überriesen sind, d.h., Sterne von hoher Helligkeit, die von sehr weitem aus sichtbar sind. Das sind also allgemein Objekte, die weit von der Erde entfernt sind:
Von einigen hundert Lichtjahren und mehr. In diesen Entfernungen sind die anderen Methoden ihrer Abschätzung entweder schwer durchführbar, d.h., fehlerbehaftet, oder überhaupt nicht durchführbar, wie zum Beispiel die Methode der Parallaxen. Daher werden die Cepheiden poetisch auch die „Leuchttürme des Universums“ genannt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer visuellen Untersuchung eines klassischen Cepheiden S Pfeil (S Sagittae, S Sge).
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Ergebnisse der Lichtkurven-Untersuchung des S Pfeils.
P = 8d.373 ± 0d.013
a = 0.31
Av = 0m.77
Eвv = 0m.37 ± 0m.29
Mv = – 3m.478 ± 0m.001
r = (1493.8 ± 25) pc. = (4872.6 ± 81.4) ly.
Laut dem Astrometrischen Katalogs Hipparcos ist die jährliche Parallaxe von S Sge – px=0´´.0008. Daher ergibt sich aus der Parallaxe folgende Entfernung:
r = 1250 ± 78 pc. = 4077 ly. ± 255 ly.
(Anmerkung: Die Methode der Parallaxen ist eine gerade Messungsmethode der Entfernung).
Die saisonalen Kurven sind an mehreren Stellen geglättet, und die gemeinsame Kurve ist durch die Methode der Reduktion nach Phasen geglättet. Bei allen Kurven ist ein Buckel auf dem absteigenden Ast gut erkennbar, was auch eine charakteristische Eigenschaft dieser Sterne ist.
Mittels der Beobachtungen wurde eine, für die Saisonen durchschnittliche Pulsationsperiode ermittelt und über den gesamten Untersuchungszeitraum präzisiert.
Diese Periode weist folgende Werte auf: Р = 8d.373 ± 0d.013.
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Zusammenfassung
Diese Beobachtungen wurden während einiger sommerlich-herbstlicher Saisonen in Bolschaja Korenicha, einem Vorort von Mykolajiw in der Ukraine, durchgeführt. Sie wurden visuell mit Hilfe eines Spiegelteleskops des Newtonsystems „Mizar“ (110 mm) mit einer minimalen 32-fachen Vergrößerung und mittels Pikkering-Methode durchgeführt. Als Ergebnis erhielt ich Saison- und Gesamtlichtkurve. Unter Verwendung der Periode-Leuchtkraft-Beziehung und durch die Analyse der Lichtkurve wurden die absolute Helligkeit M sowie die Entfernung mit einer Genauigkeit von etwa 25 Parsec (pc) berechnet. (Die absolute Helligkeit ist jene Helligkeit, die ein Stern besitzen würde, wenn er sich in einer Entfernung von 10 Parsec befinden würde).
Solch eine relativ hohe Genauigkeit, unabhängig von der visuellen Bewertung der Sternenhelligkeit, schien dank der langen, homogenen Beobachtungsreihen möglich. Das ist genau ein Beispiel dafür, wie wichtig Reproduzierbarkeit und Wiederholbarkeit eines Ergebnisses bzw. eines Ereignisses in der Wissenschaft sind, d.h., lange Beobachtungsreisen ein und derselben Sache.
Letztendlich ist das das Wichtigste für den Erhalt zuverlässiger Informationen und Fakten. Insbesondre, wenn sie sie keine modernen, professionellen Geräte haben, die geeignet sind, für eine oder mehrere Beobachtungen sehr genaue Messungen durchzuführen, aus denen man ein zuverlässiges Ergebnis erhalten kann.
Wie sich schon zu Beginn der Beobachtungen herausstellte, ist S Sge auch ein Doppelstern (möglicherweise handelt es sich hierbei auch um ein Mehrfachsystem). Er hat einen unsichtbaren Satelliten, der von der Erde ausgesehen regelmäßig vor der Scheibe seines Hauptsterns entlangzieht, und die Verfinsterungen daher in diesem System stattfinden. Das Ende einer von ihnen wurde auf der Saison-Lichtkurve am 10. August 1991 beobachtet.
Somit ist Nutzen der vorliegenden Arbeit offensichtlich: die hier angestellten Untersuchungen der Cepheiden sind nicht nur für die Stellarastronomie von großer Bedeutung, sondern setzen sich auch teilweise mit den doppelten und mehrfachen Systemen auseinander. Außerdem ist das Studium der Cepheiden besonders wichtig, wenn wir über die Bestimmung ihrer Massen sprechen. Deshalb kann und soll das Thema dieser Diplomarbeit eine Fortsetzung finden. Davon abgesehen, hat die Analyse der Beobachtungen gezeigt, dass sogar die visuellen Berechnungsmethoden für die Genauigkeit der Entfernungen der Cepheiden von großer Hilfe sein können.
Man erhielt sogar genauere Entfernungen bis zu den nächsten Cepheiden als nach der Methode der Parallaxen.
Aber es ist noch bemerkenswerter, dass der absolute Entfernungsfehler nicht von der Entfernung abhängt und innerhalb einiger Parsec liegen kann. Deswegen ist es durchaus denkbar, die spirale Struktur unserer Galaxis mit einem Teleskop mit ausreichender Lichtstärke zu untersuchen und die Entfernungen der Sternhaufen und anderer Galaxien zu bestimmen.
Der Artikel wurde ursprünglich am 30 November 2012 in Wien geschrieben
und wurde im Juni 2014 ins Deutsche übersetzt.