Die letzten fünf Minuten
Philosophische Mini-Novelle
Es ist nicht genug Liebe und Güte in der Welt,
um noch davon an eingebildete Wesen
wegschenken zu dürfen.
Friedrich Nietzsche
Verdammt!
Kretinismus. Unter einen „Opel“ geraten, genau dann, als ich schließlich den „Einen“ gefunden hatte, nach dem ich so lange gesucht hatte. Noch ärgerlicher, dass das aus Dummheit geschah: Wir gingen aus dem Restaurant heraus, der Wind verblies mein Taschentuch und ich lief hinterher. Hatte sich dafür die „Überlebensschule“ in der Antarktis, während der man sich zwei Monate lang einander die Körper wärmt, wirklich gelohnt? Touristen…! Damals verstand ich, dass er genau der Eine war. Witzig, aber diese zwei Monate waren vermutlich die glücklichsten in meinem Leben. Ich dachte wirklich, ja, das ist es, endlich, ich habe mein Glück gefunden – und dann so etwas!
Wahrhaftiger Kretinismus!
Wäre ich besser dort erfroren.
Zumindest wäre das nicht so ärgerlich gewesen…
…und dort war ein Tunnel. Und ein helles Licht am Ende. Und Michael beim Eingang. Also, eigentlich alles ganz normal. Alles, wie aus den Erzählungen. Und ich hatte bisher daran gezweifelt. Blöde Kuh. Fürs Zweifeln wurden mir übrigens die Flügel etwas verkürzt, und man gab mir auch einen Heiligenschein, der nur halb so groß war, wie gewöhnlicherweise.
Zunächst brüllte ich natürlich, schlug mit den Fäusten gegen Michaels Brust und fragte:
„Warum?! Warum, zum Teufel?! Oh, Entschuldigung…“
Aber Michael deutete mir auf die Nachbarwolke eine Etage höher, wo sich alle meine Vorfahren versammelt hatten – Großmütter, Urgroßmütter, Großväter, Urgroßväter– und auch einige nahe Verwandte, zum Beispiel mein Vater, mein kleiner Bruder am Töpfchen. Und sie alle riefen mich zu sich.
Wie sich jedoch herausstellte, war es das letzte Stadium, dorthin zu kommen. Zuerst musste man zur „Reinigung“, an mir „hafteten“ doch zwei Scheidungen und eine Abtreibung, (an dieser Stelle flatterten Engelchen mit einem vorwurfsvollen Blick umher – es waren meine ungeborenen Kinder), und man musste sich mit IHM höchstpersönlich treffen… Also, sie haben schon verstanden, über wen ich rede. Und dann hätte ich mich meinen Angehörigen auf jener Wolke anschließen und in ewige Glückseligkeit und Ruhe versinken dürfen.
Allerdings wollte ich nicht dorthin. Ich bat damals nur um eines: Er sollte dort auf der Erde lediglich nicht zu viel um mich trauern und letztendlich glücklich sein.
„Oh, oh. Mädchen“, erklärte mir Michael, „du denkst wirklich niemals an dich. Das heißt, aus dir wird noch was. Letzten Endes. Und was deinen Lieben betrifft, ist das ein Sonderfall: Eigentlich wird es deine Prüfung für die Reinigung sein. Man muss dem Kerl wirklich helfen…
So fand ich mich in einem riesigen zweistöckigen Lift, der direkt hinunter fuhr. Jaja, genau in die Hölle. Die Sünder in der unteren Liftetage fuhren nur in eine Richtung. Ich fuhr zum Glück in der oberen. Beim Herabsinken wurde es heißer, (wobei mich mein weißes Gewand ausgezeichnet vor der Wärme schützte), und es wurden immer weniger Leute im unteren Liftabteil.
Es schien sie von dort einfach herauszuziehen. Ja, hier erhält jeder, was er verdient, nun, sie haben mich verstanden, im Sinne von gemäß seinen Taten. Feuer, Kessel, Pfannen – das sind alles Anachronismen. Schon nicht mehr zeitgemäß. Es gibt weit schlimmere Bestrafungen.
Zum Beispiel die verborgenen Ängste und Alpträume der Menschen an sich. Für den einen ist das völlige Dunkelheit mit seelenzerstörenden Geräuschen, für den anderen absolute und ewige Einsamkeit, und wieder einem anderen, verzeihen Sie den Ausdruck, geht’s einfach an die Eier. Und begleitet von Brandgeruch, Stöhnen und Zähneknirschen… Kurz gesagt, diese Hölle war ein schrecklicher und zugleich jämmerlicher Anblick. Und plötzlich ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass sie der Erde sehr ähnlich sei.
Ich führte diesen Gedanken nicht weiter aus.
Und wie ist er auf diese unglückliche Idee gekommen, hierhin zu geraten (ich meine natürlich mein Andrej)?! Seine Seelen an den Teufel verkaufen, damit der Dritte Weltkrieg niemals beginnt! Können Sie sich das vorstellen? Das ist doch eine offensichtliche Provokation und ein Betrug! Das sieht doch jedes Kind.
Erstens hängt, Gott sei Dank, nicht alles vom Satan ab. Zweitens denke ich, dass der Dritter Weltkrieg nie beginnen wird. Ja und überhaupt, was versteht man unter einem Weltkrieg? Von dem Schelm kann man alles erwarten.
Ja, wegen so etwas kann man entweder zu einem Verrückten oder zu einem Heiligen gehen. Aber ich wusste doch, dass mein kleiner Andrej sicher keine Verrückter war. Und daher werde ich ihn unbedingt herausholen.
Am Grund des Schachts stoppte der Lift nach einem widerlichen und schrillen Klirren schwerfällig. Boshafte Leprechauns führten mich lange durch verwinkelte, finstere Gänge, die an die Folterkammern der Gestapo oder des Volkskommissariat für innere Angelegenheiten erinnerten, über die mir mein Großvater erzählt hatte. Wir hielten vor einer massiven fünfeckigen Tür mit der roten Aufschrift „666“, einer der Leprechauns drückte den Knopf einer Gegensprechanlage und krächzte:
„Die Anwältin ist angekommen.“
Die Tür öffnete sich umgehend und meine Begleiter verbeugten sich spöttisch und baten mich einzutreten. Sie selbst blieben draußen. Sofort nachdem sich die Türe hinter mir geschlossen hatte, erschien auf ihr neben den drei Sechsern noch eine Inschrift in leuchtend-glühenden Farbe: „Lasst, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren!“
Aber das war noch nicht das Büro Satans, sondern erst der Empfangsraum mit einem ziemlich hübschen kleinen Sekretariats-Dämon, er erinnerte ein wenig an ein Schweinchen mit Hörnern und einem langen Schwanz. Ich weiß, dass es dumm klingt, aber ich fand diesen kleinen Dämon hübsch.
„Der Boss wartet auf Sie“, schnauzte der Sekretär und öffnete vor mir eine Tür in ein riesiges Büro.
Das Büro war wirklich gigantisch. Dreißig Meter breit und sechzig Meter lang. Und zumindest zehn Meter hoch. In der Mitte dieses „Flugplatzes“ erstreckte sich ein massiver Tisch aus Ebenholz um den Drehstühle herum platziert waren, vor jedem dieser war in den polierten Tisch irgendein unansehnlicher grauer Knopf eingelassen.
Im Großen und Ganzen erweckte das Büro einen recht finsteren und bedrückenden Eindruck – ein Malachitboden, graue, rohe Wände, eine braune Decke mit irgendwelchen Ornamenten und zwei großen Kronleuchtern. Aber ich würde es nicht geschmacklos nennen: Blumen an den Wänden, vor allem Rosen und Tulpen, am Ende des Saals loderte ein antiker Kamin, vor dem ein kleiner Tisch mit zwei weichen, großen, einander gegenüberstehenden Sesseln stand… Im Prinzip ein gewöhnliches Büro eines Topmanagers. Es war deutlich kühler als in den anderen Räumen. Es gab auch keinen Brandgeruch.
Ein eleganter, junger Mann in einem orangen Samtmorgenmantel machte es sich am kleinen Tisch in einem der Sessel bequem. Er rauchte Zigarre.
„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er und seine Stimme ließ mich zusammenzucken. Sie schien mir sehr vertraut, „Komm, hab´ keine Angst. Wir müssen was besprechen.“
Er deutete mir auf den freien Sessel. Während ich näher zu ihm heranging, stockte mir das Herz. Die gleiche Figur, die gleichen Bewegungen, glatt und präzise, die gleichen Gesichtszüge, die gleichen dunklen Haare. Und nur das dämonische Funkeln in seinen braunen Augen beruhigte mich. Das ist er nicht.
„Und? Wie findest du meinen neuen Körper?“, fragte er, „Steht er mir?“
„Nein“, antwortete ich kalt und ließ mich in den Sessel fallen.
Er, Satan, lachte.
„Zunächst sagt das jeder über seinen kostbaren Körper. Aber, egal, wir werden uns nicht mit Worthülsen aufhalten, kommen wir gleich zur Sache. Natürlich weiß ich sehr genau, warum du gekommen bist. Du möchtest von einem Vertrag zurücktreten, der dir ungerecht erscheint. Weißt du, wie viele solcher Leute zu mir kommen? Am Tag? Für die Sünden büßen. „Sich reinigen“. Aber, leider Gottes, gehen alle ohne etwas von hier weg. Weil ein Vertrag ist ein Vertrag, da gibt es eine Unterschrift, und da kann ich nichts mehr ändern.
„Sogar wenn diese Unterschrift nicht auf ehrliche Weise erreicht wurde?“
Luzifer schüttelte den Kopf mit gespieltem Bedauern:
„Dieser Kindergarten ist unnötig! Erspar mich das! Ehrlich – Unehrlich. Was bedeutet überhaupt „ehrlich“? Du weißt doch, dass dieser Begriff für mich nicht existent ist. Genauso wie das Gute und das Böse. Selbstverständlich das absolute. Ich habe dir das doch beigebracht oder hast du das vergessen???“
„Und Liebe? Existiert sie auch nicht?“
„Nun, warum denn? Ich denke, meine Teuerste, dass nur die allergrößten Zyniker sagen, dass Liebe nicht existiert. Besonders, wenn du daran denkst, wie viele wegen ihr getötet werden und sich aufhängen… Aber wir schweifen ab. Das Entscheidende ist die Unterschrift. Und es ist nicht wichtig, auf welche Art sie erreicht wird. Aber wenn sie erreicht wird, mit goldener Tinte unterzeichnet und mit Blut besiegelt, dann kann das nichts und niemand mehr ändern. Sogar ER“, er deutete nach oben, „So sind unsere Gesetze.“
„Verdammte Gesetze“, platze es aus mir heraus.
„Wir haben uns diese Welt nicht ausgedacht…“ sang er und fing an zu lachen, „Schließlich ist dein, ähm, Mandant, dass weißt du selbst, weder ein Kind noch Verrückter. Er unterzeichnete den Vertrag völlig bewusst und bei klarem Verstand. Es ist unwahrscheinlich, dass er nicht im Bild darüber war, was kommen würde. Es ist seine Entscheidung.“
Der Teufel stand auf, ging zum Kamin, leerte die Zigarrenasche ins Feuer (wahrscheinlich ist schon diese Asche alleine teurer als jener „Opel“) und lehnte sich mit den Schultern gegen die antiquarische Ausstattung.
„Es gibt jedoch einen Ausweg…“, er seufzte und ich zuckte zusammen, „Ich schlage das allen vor, aber fast alle lehnen ab. Fast. Ich bin damit einverstanden, seinen Vertrag zu kündigen, im Austausch gegen… dich. Und? Für mich ist das durchaus lukrativ: Wann er abkratzen wird, ist noch unbekannt, aber du bist schon hier. Und was sagst du?“
Auf dem Tischchen tauchten ein Tintenfass mit goldener Tinte und eine Feder auf. Und in Mephistos Händen erschienen zwei schwarze Papyrus-Rollen: eine war Andrejs Vertrag und die andere mein noch nicht unterzeichneter.
„Also?“, wiederholte er und reichte mir den einen Bogen, „Entscheide dich. Sobald du anfängst, deinen eigenen Vertrag zu unterschreiben, fange ich an, diesen zu zerreißen.“
Ich schluckte, aber entschlossen nahm ich meinen Vertrag. Ich begann damit, ihn genau durchzuschauen: Irgendeine Falle war zu erwarten. Aber nein, es war alles rechtens:
„Ich, der/die Unterzeichnende, verpflichte mich dazu, mich vollständig und auf ewig in die Gewalt des Satans (alias des Teufels, alias Luzifers, alias Mephistos…) zu übergeben, gesetzt den Fall, dass der Letztgenannte vom Vertrag mit meinem Mandanten zurücktritt.“ Unterschriften der Vertragspartner.
„Hier fehlt noch ein Satz“, sagte ich plötzlich kühl, „Am Ende: … und weder er noch seine Diener je wieder versuchen, diesen Vertrag mit meinem Mandaten wieder zu erneuern oder sonstige Vereinbarungen zu treffen.“
Der Teufel lächelte über das ganze Gesicht.
„Ach, Kindchen, dir entgeht auch nichts… du hast eine gute Beobachtungsgabe. Ich liebe solche Leute. Übrigens wäre ich sogar enttäuscht gewesen, wenn du das nicht gesagt hättest. Na meinetwegen“, sofort erschien wie auf einem Computerbildschirm eine zusätzliche Zeile, „Ist es besser so?“
Entschlossen griff ich nach der Feder, obwohl ich innerlich völlig erstarrt war. Satans Stimme wandte sich noch einmal an mich, meine Hand stoppte für einen Moment genau neben dem Papier: „Überlege dir das. Überlege dir das gut! Sobald du das unterzeichnest, ändert sich nichts mehr daran. Niemals.“
„Ich liebe dich, Andrej“, sagte ich und unterschrieb rasch.
Weder Blitz, noch Donner, noch durch Mark und Bein gehende Spezialeffekte. Alle diese Spezialeffekte, für die Hollywoodbudgets bekanntermaßen verwendet werden. Hier passierte eigentlich fast nichts, wenn man von meiner Kleidung absah, welche sich sofort schwarz färbte, und von Satan, welcher leise vor sich hin lachte. Erleichtert sah ich die Fetzen von Andrejs Vertrag, die im Kamin brannten.
„Heute habe ich wirklich einen Glückstag“, murmelte Luzifer, während er den neuen Vertrag bewunderte. Und plötzlich (ich hatte es offensichtlich zu eilig mit der Zusammenfassung hinsichtlich der Spezialeffekte) verwandelte er sich… in mich. Sie… also er beugte sich zu mir vor und flüsterte mir mit meiner Stimme ins Ohr: „Das war´s, Kleine. Du gehörst nun mir. Mir! Wie lange habe ich darauf gewartet.
Von nun an werden deine schrecklichsten Alpträume wahr werden. Du wirst nackt in einer engen Betongruft liegen, zwischen Horden von Vipern, Würmer, stinkenden Kakerlaken, Asseln und Spinnen. Sie alle werden dich umschwärmen von Kopf bis Fuß und sie werden dich langsam fressen, an dir nagen, dich durchdringen. Du wirst alles bewusst spüren, aber wirst dich nicht rühren können.
In deinen Ohren wird ständig ´Heavy Metal´ tönen. Wunderbare Musik, nicht wahr? Aber nein, du wirst nicht wahnsinnig werden. Du wirst ständig unmenschlichen Ekeln, Schmerz und Angst erleiden. Angst, weil ich als Abwechslung ein oder zweimal im Jahrhundert, (du verstehst selber, ich stecke bis zum Hals in Arbeit), zu dir kommen werde, in Gestalt einer Ziege, um es mit dir zu treiben, soviel ich mag und du wirst nicht einmal piepsen können. Und du wirst niemals wissen, wann das passieren wird. Und dieser ganze Spaß wird ewig andauern. Ewig!“
Er richtete sich auf, seufzte und sagte schon ruhig:
„Zu guter Letzt werde ich regelmäßig auf der Erde sein und in deiner Gestalt mit deinem Andrej so allerlei plaudern. Natürlich dann, wenn er schläft oder einen in der Krone hat.“ Der Teufel wurde zu George Soros, sank erschöpft in seinen Sessel und lächelte freundlich:
„Tut mir leid, meine Liebe, dass ich dir diese ganzen farbenreichen Aussichten nicht früher geschildert haben: Geschäftsgeheimnisse und so weiter… Und hättest du deine Meinung danach nicht geändert? Stimmt doch? In diesem Sinne – herzlich Willkommen in der Hölle.“
Er lehnte sich in den Sessel zurück und steckte sich sorglos eine weitere Zigarre an. Mir rannen Tränen herunter und ich schloss die Augen.
„Ich liebe dich, Andrej“, konnten meine Lippen lediglich flüstern.
Im nächsten Moment war ich für alles bereit, aber nichts passiere. Ich öffnete die Augen.
Im Sessel gegenüber saß ein Mann um die Dreißig, der stark an Alexander den Großen aus den Geschichtsbüchern erinnerte, und schmauchte munter seine teure Zigarre. Erst jetzt fiel mir das eingravierte Etikett auf ihr auf: „Made in Heaven.“
„Nun?“, fragte er interessiert, „geht´s wieder? Dann hallte ich dich nicht länger auf. Du kannst gehen. Zu deinem „Daddy“.
Der Makedonier seufzte, nahm unseren Vertrag träge vom Tisch auf, schaute ihn noch einmal an, murmelte irgendeine Melodie vor sich hin und… warf ihn in den Kamin. Meine Tränen trockneten plötzlich wie von selbst. Ich wusste nicht, was ich denken sollte.
„Was guckst du? Ein Test, ein Test war das. Für die „Reinigung“. Du hast ihn bestanden. Meine Glückwünsche!“, es schien, als ob er seine ganze Bösartigkeit in diese Worte gelegt hatte, „Du bist jetzt… frei. Wenn man dein zukünftiges Schicksal ´frei´ nennen kann, wobei ich davon absolut nicht überzeugt bin…Hör mal, geh einfach, ja? Nerv´ mich nicht. Wo die Tür ist, glaube ich, weißt du noch.“
Er wollte offensichtlich nichts weiter mehr erklären, aber ich kam nicht vom Fleck.
„Aber wie… wieso?“, nur das brachte ich hervor.
„Wolltest du irgendetwas fragen?“, der Makedonier wirkte echt überrascht, „Passt dir irgendetwas nicht? Nun, leider, Süße, ich habe mir diese Tests nicht ausgedacht, ich erfülle nur meinen Teil des Vertrags: Schwarzes Papyrus, goldene Tinte und das Streben nach Macht, das sexuell besorgniserregende (und dabei unbedingt klinisch perverse) „absolute Böse“ – all das in den besten christlichen Horrortraditionen mit einem Budget von einer halben Milliarden.
„Ich liebe dich Andrej“, bekundete er nach einer kurzen Pause gekünstelt, „Wenn man auf euch schaut, wird einem übel. Bei euch ist alles überspielt, wie auf einer Bühne. Zinnsoldaten. Genau die braucht er“, er deutete mit dem Kopf hinauf, „für seine ´kosmische Strategie´. Also geh, man erwartet dich dort.“
Ich rührte mich nicht. Ich verstand nicht, was los war. Mein Gesprächspartner hob die Braue bedauerlich:
„Ehrenwort, diesen Punkt gibt es in dem Vertrag zwischen ihm und mir nicht: den Testpersonen alles zu erklären. Aber irgendwie mache ich das trotzdem immer. Was noch? Ach ja, dein Andrej und sein Dritter Weltkrieg… Also hier kannst du absolut unbesorgt sein, zumindest, was mich betrifft: Dein Andrej, verzeih mir, geht mir am Arsch vorbei, genauso die verschiedenen Kriege, Katastrophen, Epidemien… Überschwemmungen, das ist nicht meine Baustelle, sondern die Baustelle von dem, der sich selbst, Verzeihung, für das ´Absolut Gute´ hält und nach dessen Willen der Laden hier läuft.
Komm also mit diesen Fragen nicht zu mir. Ich habe völlig andere Aufgaben. Er ist entweder ein Verrückter oder ein Heiliger“, er rief sich meine Worte erneut ins Gedächtnis, „Wo ist der Unterschied? Weißt du das? Ein Verrückter wird nur für sich privat verrückt und ein Heiliger für die Menschen. Und dafür spricht man ihn auch noch heilig.
Oder hast du wirklich geglaubt, dass ich nur davon träume, irgendeine bewegungslose Schauspielerin, die von Würmer und Kakerlaken zerfressen wird, in Gestalt einer Ziege endlos zu vögeln? Ja, das ist doch wirklich eine ernsthafte psychischen Pathologie, alle Achtung…“, der Makedonier lachte fröhlich, „Ich werde nicht sagen, wie viel Millionen Jahre lang, weil angesichts dieser riesigen Zahl bei dir ansonsten die Sicherungen durchbrennen würden, aber man könnte über sich selber derart lang und derart vieles erfahren, wenn man sich nur dazu entscheidet, unabhängig zu leben und für dieses Recht auch zu kämpfen, wenn man aus der ´Partei austritt´. Eine bekannte Geschichte, nicht wahr? Oder die Sache mit meinem ´Machtstreben´. Das steht auch ganz weit vorne! Wozu ich, ein Individualist und Einzelgänger, diese Macht brauche, ist mir bist jetzt ein Rätsel. Besonders, da es nur Macht über geistlose Zinnsoldaten ist. Ach ja, genau, und ich labe mich an ´Dunkler Energie´ – an Schmerz und Leid. Geradezu ein unverbesserlicher sexuell-energetischer Wahnsinniger, ein Hermaphrodit und ein Nekrophiler… mit eigenartigen kulinarischen Vorlieben und einer unnatürlichen Art der Nahrungsaufnahme.“
Er lachte erneut. Es schien fast so, als ob das seine einzige Aufgabe war.
Und ich kam scheinbar langsam wieder zu mir: diese „Zinnsoldaten“, diese Hirnlosen begannen mich aufzuregen. Das löste mich aus meiner Erstarrung.
„Möchtest du damit sagen, dass du niemals jemanden ausgenutzt hast?“, hörte ich mich sagen.
„Ich habe ausgenutzt. Und ich nutze aus. Gelegentlich. Aber im Unterschied zu meinem Gegenüber sage ich das offen und ehrlich. Das ist natürlich für jeden, der etwas macht, besonders, wenn er nach etwas strebt. Zur Erreichung der eigenen Ziele alle zu Verfügung stehen Ressourcen nutzen, das ist ein unveränderliches Naturgesetz. Dem kann man nicht entkommen. Lediglich die, die ein Gehirn im Schädel haben, arbeiten mit mir wie mit einem Arbeitgeber zusammen und sie nutzen mich ihrerseits aus, genauer gesagt meine Ressourcen. Und bei wem der graue Stoff nicht reicht, rennt in den Schoß der Kirche, leckt diesen Schoß und schreit Halleluja. Oder würdest du sagen, unser Genosse „Absolut Gut“ hat niemals irgendjemanden ausgenutzt? Ha! Bei uns heißt das einfach anders. Sicher, Wegen dem Gutem und aus Liebe ist alles besonders freiwillig und bewusst. Im schlimmsten Fall nennt man das eine notwendige Selbstaufopferung, das unseren Mister „Absolut Gut“ veranlasst, maßlos zu leiden. Außerdem sage ich dir: Dieses Heer aus Zinnsoldaten, das er hat, Verzeihung aber ich nenne die Dinge lieber beim Namen, sind bereit, für die „Sache des Lichts“ Kamikaze zu begehen, wie es sich jeder Diktator selbst in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen könnte. Sogar alle Diktatoren zusammen könnten das nicht. Weißt du übrigens, warum Masturbation eine Todsünde ist, von Abtreibung ganz zu schweigen? Obwohl weder ein Spermium, noch eine Eizelle, selbst eine befruchtete, kein menschliches Leben ist, noch nicht einmal ein Insekt. Weißt du´s? Wegen ´Seid fruchtbar und mehret euch´. Je mehr Sklaven, desto besser. Desto mehr Kanonenfutter, das man zu hirnloser Energie umwandeln kann, Energie, die selbst das Unzerstörbare zerstörbar machen kann. Der Weg dorthin läuft über das effektivste Mittel der Zombifizierung im Universum – über die Religion. Zum Beispiel die Taufe. In der überragenden Mehrzahl der Fälle erfolgt das noch im Kinderalter. Momentan versteht der Mensch überhaupt nichts, von einer bewussten Entscheidung ganz zu schweigen. Und das wichtigste ist, dafür muss man nicht einmal mehr etwas tun: den Eltern wurde es lange eingetrichtert, dass es sein ´muss´. Zumindest dafür, dass ihren Kindern nichts passiert. Als eine Art Schutz. Selbstverständlich schadet weder das Übergießen mit kaltem Wasser noch diese verkeimten Kuttenclowns dem Kind, aber wenn es plötzlich krank wird, wird es irgendwelche Gründe dafür geben, aber sicher nicht eben diese Clownerie. Es ist egal, wie es auf der Erde leben wird. Die Hauptsache ist, dass das Kanonenfutter in hirnlose Energie des „Lichts“ übergeht… Uns ist das langweilig, du verstehst“, er schloss unbekümmert und blies eine Zigarrenrauchschwade aus, „Das ist übrigens wunderbar zusammengefasst in dem Begriff: ´Absolut Gut´ – Findest du nicht?“
„Habe ich das richtig verstanden: Ich habe gerade einer Spekulation zugehört, die so alt ist wie die Welt selbst, mit dem Titel ´Braucht Gott Sklaven und Macht?´“, erkundigte ich mich nicht ohne Bosheit, „Mit anderen Worten, verzeih mir, ich nenne die Dinge auch gern beim Namen, es gibt schwarz und weiß und umgekehrt? Irgendwo habe ich das schon gehört…“
„Ja? Aber noch nicht gesehen?“, der Makedonier schautet mir in die Augen und schnalzte mit der Zunge, „Ay-ay-ay… Dann, Mädchen, hast du was an den Augen. Ich kann dir einen Augenarzt empfehlen. Stell dir vor, du würdest einen Ameisenhaufen erschaffen, und darin leben nur freundliche und friedfertige Ameisen, und sagen wir, du brauchst weder Nachwuchs für den Krieg noch Sklaven auf den Plantagen? Würdest du diese Ameisen für eine ´nicht sachgemäße Samenvergeudung´ einen Schlag in die Genitalien verpassen?“
„Er verpasst niemandem einen Schlag dorthin“, erwiderte ich überzeugt.
„Ja, er kastriert sie einfach. Und das durch fremde Hände. Blut ist einfach zu viel für unseren Herrn „AG“, verstehst du?“
„Du erzählst darüber so, als ob du das alles selber machen würdest.“
„Ich habe es gemacht. Noch habe ich mich aber nicht dazu entschieden, aus dem Spiel auszusteigen. Wie es weitergehen wird, weißt du vermutlich selber.“
„Aus dem Spiel aussteigen? Ha! Ich warf die Hände auseinander, „Alles, was ich hier gesehen habe, alle eure Test-Verträge, was soll das dann sein? Und danach erzählst du mir etwas über deine Unabhängigkeit?“
„Ja, das mach ich!“, meinte Luzifer schroff. Plötzlich stand er auf und lehnte die Fäuste auf den Tisch (offenbar hatte ich ihn an seinem wunden Punkt getroffen): „Das ist alles ein Theater. Aber mein Vertrag mit Ihm… Übrigens ist er rechtsgültig beglaubigt und unterschrieben und das auf einem dauerhafteren Träger als auf idiotischem, schwarzen Papyrus. Dieser Vertrag ist eine überaus angemessene Bezahlung für meine Überzeugungen und meinen Lebensstil. Großflächige Kriege will ich gar nicht beginnen, dafür braucht man zu viel Macht über zu viele Dummköpfe, aber alles hat seinen Preis. Dieser fundamentaler Grundsatz hat schon lange vor mir existiert und sogar… vor ihm. Und wenn ich ein normales, verwundbares Wesen wäre, würde ich dafür mit meiner Gesundheit bezahlen, mit verschiedenen Unglücksfällen, dem Verlust von geliebten Menschen… Und dann würde mir noch gesagt werden, dass ER sich nicht von mir, sondern ich mich von IHM abgewandt hätte und ER, der Ärmste, wegen mir und meiner Entscheidung leide. Obwohl alles nach seinem Willen geschieht. Fällt dir nichts auf? Zum Beispiel Zynismus und Heuchelei?“
„Eigentlich nicht. Er bestraft niemanden und weist niemanden ab. Er hört einfach auf zu helfen! Das ist doch ein grundsätzlicher, vernünftiger Gedanke: Denn arbeitest du etwa mit denen zusammen, die dir sagen: ´Verpiss dich´?“
„Das stimmt schon: mit solchen arbeite ich nicht zusammen. Aber wenn mein geschätztes Gegenüber damit aufhört, mit jemandem ´zusammenzuarbeiten´, dann wird demjenigen etwas Unangenehmes widerfahren. Sofort stürzt sich irgendwie alles Böse dieser unvollkommenen Welt mit deinem bescheidenen Diener an der Spitze auf das Haupt jenes Unglücklichen, wie ein ausgehungerter Häftling auf eine Prostituierte. Doch zum Glück kann man auf jemanden mit dem Finger zeigen. Eines von zwei trifft zu: Entweder bin ich ein vollkommener Idiot oder ER lügt! Oh, ich hätte fast vergessen, ich muss mich ja laben…Aber du bist im Bild, ich werde es nicht wiederholen“, mit einem freundlichen Lächeln sank er erneut in den Sessel.“
„ER bietet allen eine Wahl“, erwiderte ich mechanisch, „Jeder kann so leben, wie er will. Entweder mit IHM oder ohne IHN.“
„Ja? Und deine Wahl war es natürlich, `heldenhaft´ unter den Rädern eines Opels ums Leben zu kommen? Du brauchst nicht antworten: Ich weiß alles, was du sagen willst. Genauso weiß ich über seine ´himmlischen´ Pläne und Prüfungen Bescheid, die er uns, also euch, auferlegt, und auch über seinen absolut selbstlosen Wunsch, allen zu helfen, sogar den ´verlorenen Schäfchen´… und so weiter. Es gibt eine ganze Liste. Die Theorie über seine ´Selbstlosigkeit´ gefällt mir besonders gut. Nur so am Rande: Die vier großen Weltreligionen, ich schweige über das facettenreiche Heidentum, zerstreuen sich ihrerseits in tausend Konfessionen – Sekten, das heißt es gibt alleine schon im Christentum zweitausend, von denen sich jede selbstverständlich für den einzigen Inhaber der Wahrheit hält und die übrigen sollten von mir und meinen Mitarbeitern in die Hölle geschickt werden. Dabei sind das, genauso wie die Religionskriege, nur Kleinigkeiten: Nach dem `Sortieren´ stellt sich am Ende sowieso heraus, dass alle zu einem Gott beten, der nur in verschiedenen Gestalten und Gewändern auftritt. Und alle Anhänger aller Religionen sind gut, glücklich und kampfbereit. Also, wenn du dich zusätzlich zu deinem natürlich-vernünftigen Verhalten in der Natur und in der Gesellschaft auch noch an eine der Religion festhältst, (und ja, hier gibt es zweifelsfrei eine Auswahl!), an einer Religion, die dir noch 300 oder 400 zusätzlicher Verpflichtungen auferlegt, an die du dich ständig und unbedingt halten musst, dann stimmt mit dir was nicht: A – nichts Schlimmes darf passieren, wobei das von SEINEN Plänen abhängt. B – ER wird dir alles geben, was du dir wünschst ohne eine Gegenleistung zu fordern. Natürlich in einem vernünftigem Rahmen. Vielleicht. Wenn das SEIN Wille ist. Jedoch keine unterschriebenen, gegenseitigen Verpflichtungen und notariell beglaubigte Verträge mit Siegeln. Alles auf einer uneigennützig-selbstlosen Basis, und Gott darf sich nicht drücken! Ja, irgendetwas stimmt an der göttlichen Selbstlosigkeit nicht, findest du nicht? Wie sagt man: streichen Sie bitte zwei falsche Antworten. Und weißt du, was daran das Interessanteste ist? Er braucht mich weitaus mehr, als ich ihn! Falls ich ihn überhaupt brauche. Mich hat diese vorsätzlich-demonstrative Verurteilung des Bösen immer amüsiert – Mord, Vergewaltigung, Erbsünde – alle Arten von Gläubigen, die damit natürlich nichts gemein hatten. Natürlich öffnen wir uns Gott, wir tragen die Wahrheit und das Licht. Aber aus irgendeinem Grund fügt man ständig hinzu, dass es unmöglich ist, das Licht zu schätzen, wenn man die Dunkelheit nicht kennt (dabei gilt: je dunkler, desto besser). Wenn ich es daher nicht wäre, würde jemand anderer die Rolle übernehmen, und wenn es nicht der zur traurigen Berühmtheit gelangte Baum der Erkenntnis gewesen wäre, hätte es eine andere tabuisierte Pflanze gegeben und das Tabu wäre jedenfalls nicht ohne Hilfe des erwähnten Charakters gebrochen worden. Schlussendlich findet der Lehrer immer einen Weg, die Schüler bei der Prüfung durchfallen zu lassen. Ach ja, das hast du ja schon irgendwo gehört, verehrtes Fräulein… Also entschuldige die Wiederholung, ich habe nur gedacht, dass es besonders jetzt und hier betont werden sollte.“
„Genau wie ein Sprecher“, ich schnalzte mit der Zunge, „Wie vom Blatt gelesen: ohne zu stocken. Und du hast eine dazu passende Gestalt ausgewählt… Ich kann es kaum glauben, dass das nicht in eurem Vertrag steht. Vielleicht ist das ein Abwerbeversuch, eine Demagogie oder wirklich ein Test?“
„Alle diese Zweifel stammen vom Bösen“, witzelte er, „Du wirst lachen, aber das war wirklich außerhalb des Programms. Sozusagen Freistil, auf das Testergebnis hat das keinen Einfluss – du darfst hier nicht mehr rein. Wie heißt es doch in dem Lied: Sag‘ beim Abschied leise ‚Servus‘, nicht ‚Lebwohl‘ und nicht ‚Adieu‘, diese Worte tun nur weh. Das alles war natürlich mit reinem Herzen gesprochen!“
„Ich bin sehr gerührt. Zwischen uns gibt es eine wirklich selbstlose, gemeinnützige Beziehung…“
„Ich wiederhole das nur so oft“, fuhr der Makedonier fort ohne meinen Spott zu bemerken, „fürs Protokoll…“
Plötzlich hörte man bei ihm irgendwo Beethovens Fünfte (jene, wo das Schicksal an die Tür klopft). Er nahm ein Handy aus der Manteltasche.
„Hallo? Ja? Nein, es geht schon. Aha“, ein Schachbrett erschien vor ihm auf dem Tisch, „Aha, Läufer von e3 nach g5… Passt. Tschüss. Ich ruf zurück“, er steckte das Telefon wieder in die Tasche und murmelte ins sich hinein: „So…so, so, so, und machen wir ihn fertig, oder macht er uns fertig…? Wir haben… wir haben ein Matt in fünf Zügen. Nein, scheint, er macht uns trotzdem fertig…Verdammt! Habe ich jetzt wirklich auch Nordkorea verschieß…, Verzeihung, verspielt… Na gut, fünf Züge, – es ist noch nicht aller Tage Abend…“
„Wer war das?“, unterbrach ich.
„Wer soll´s denn sein“, murmelte er ohne vom Brett aufzuschauen, „Ich war´s nicht, zweimal darfst du noch raten. Übrigens braucht ER im Unterschied zu deinem kleinem Andrej keinen Anwalt (obwohl, wie sagte doch einst ein kluger Mensch auf Erden: das Einzige, was man Gott verzeihen kann, ist, dass er nicht existiert), deine Leistungen werden daher auch nicht bezahlt werden, du kannst es als kostenlose Beratung betrachten…“, er schaute mir in die Augen, „Habe ich deine Neugier befriedigt oder gibt es sonst noch was?“
„Eine letzte Frage“, sagte ich missmutig „und wenn ich den Test nicht bestanden hätte?“
„Dann hättest du noch eine Chance gehabt. Auf der Erde noch weiter um dein Leben zu kämpfen…“, Diabolo sagte das, während er seine Schachpartie studierte. Er sagte das in einem Ton, so als ob er mir die Uhrzeit mitgeteilt hätte.
Ich erinnere mich nicht, wie ich zur Tür kam, aber als ich dort war, hörte ich Satans´ Stimme hinter mir:
„Yana! Ich möchte dein Freund sein.“
Ich antwortete nichts und verließ das Büro. Im Wartezimmer wurde meine Kleidung plötzlich wieder weiß: ein gewöhnliches, ärmelloses Kleid mit blauen Riemen. Die anmutige, höfliche Sekretärin (nicht so ein Ferkel, wie vorhin!) zeigte mir den Ausgang. Es war nicht jener mit den drei Sechsern, durch den ich hierhergekommen war. Gleich hinter dieser grauen Ledertür mit der Aufschrift „Durchgang“ gab es einen Lift. Darin war Michael. Es war ein Direkt-Lift.
„Na also“, dachte ich, während ich in die kreisförmige Kabine einstieg und mich von dem Erzengel abwendete, „Du hast alles geschafft. Hast alles ausgehalten. Du hast es erduldet. Jetzt triffst du dich mit IHM.
Freu´ dich!
Was ist? Wieso weinst du?“
Die Tränen rannten trotzdem.
…Um mich herum fühlte ich frische, kühle Luft, die nach Minze und Blumen duftete. SEIN Büro war fast gleich groß wie jenes, seines ´Gegenspielers´, es war ebenfalls riesig. Aber das war die einzige Ähnlichkeit.
Alles war weiß. Anstelle des langen Tisches mit Sesseln und Knöpfen gab es ein großes Beet mit Blumen und kleinen Bäumen. Statt des Kamins gab es einen kleinen Springbrunnen, zwei Seitenwände waren überhaupt durchsichtig und helles Licht, das mich im ersten Moment blendete, drang durch sie herein. Dann schaute ich durch sie hindurch und erkannte unten schon weiße Wolken und oben einen blau-violetten Himmel, in dem eine winzige blaue Sonne leuchtete. Das einzige, das unverändert war, war das kleine Tischchen, auf dem anstelle von Tinte und Papier zwei heiße Tassen meines Lieblingskaffees standen und es gab noch bequeme Sesseln, auf einem von diesen saß ich. Ein junger Mann in einem weißen T-Shirt und cremefarbenen Shorts ging entlang des Beets ohne Eile spazieren und goss die Blumen. Ich erkannte IHN sofort, sogar ohne Heiligenschein, den ER einfach auf einem Ast hängen ließ, vermutlich, damit dieser nicht im Weg war…
„Ich bin froh, dass du die Prüfung bestanden hast, mein Kind“, sagte ER, „Ich war sehr besorgt. Aber nun weiß ich, dass es für dich nichts Wichtigeres gibt, als die Liebe und das Leben. Und verzeih, dass du warten musstest, aber du siehst selber ein, es gibt so viele Menschen…. Und jeder braucht eine individuelle Betreuung.“
„SIE sind es…“, war alles, was ich herausbrachte.
„Nicht ´Sie´, sondern ´du´, mein Kind. ´Du´. Und benutze keine Großbuchstaben: Wie mir das zum Halse heraushängt… ähhh, diese ganze Wichtigtuerei nervt mich… Wir sind hier doch alle Freunde. Ich brauche doch keine Verehrung. Ich brauche eine ehrliche Freundschaft und Liebe. Er lächelte. Und schau nicht so, nur weil ich keinen Bart habe. Ich habe mich rasiert. Bärte sind mir schon seit tausend Jahren langweilig geworden. Schließlich will jeder jünger aussehen. Ja, du bist wieder im Paradies. Obwohl ich, ehrlich gesagt, all diese Bezeichnungen nicht mag: ´Paradies´, ´Königreich der Himmel, ´Nirwana´… Es ist nur eine durchschnittlich, normale Welt, wo es das Böse nicht gibt. So müsste das ganze Universum sein. Das versuchen wir zu verwirklichen. Die Menschen auf der Erde haben sich selber irgendwie von der Theorie über die Balance zwischen Gut und Böse überzeugt. Aber du weißt ja selber: Yin und Yan, schwarz und weiß, Einheit und Kampf der Gegensätze… Dabei wissen wir hier alle, warum sie sich so entschieden haben und wessen Verdienst das ist. Natürlich stimmt das eigentlich nicht“, er seufzte und berührte Blütenblätter von Narzissen, „Zumindest in Bezug auf das Böse. Das Böse hat keinen Sinn. Es kann kein Gleichgewicht aufrechterhalten. In einem unendlichen Universum reicht der Platz für alles, was mit Liebe geschaffen wurde. Nur für das Böse ist kein Platz. Weil es auf Selbstzerstörung abzielt. Es ist nicht ewig, selbst wenn sich ihm nichts widersetzt. Ich weiß, dass man dir eben erst gesagt hat, dass es das Gute und das Böse überhaupt nicht gibt. Und auch die anderen Dinge, die mit uralten Märchen verbunden sind. Ich sag es dir offen: Das ist die Chaostheorie in der philosophischen Erfüllung, äußerst praktisch für den Aufbau einer weltweiten Gesetzeslosigkeit. Die Idee an sich ist eine zerstörerische Kraft. Ja, nimm dir ruhig Kaffee, nicht schüchtern sein…“
Ich sah ihn an und dachte: aus irgendeinem Grund zeigt man ihn selber in praktisch keinem Film, in dem man, sagen wir eine Reise ins „Licht“ oder ins Jenseits macht. SEINE unterschiedlichsten Engeln, Agenten und sogar, (sehr frech!), SEINE Bürokratie ohne Ende. Aber IHN nicht! Fürchtet man einen Irrtum, der mit Blasphemie gleichgesetzt wird? Wahrscheinlich ist es aus Mangel an Intelligenz und Phantasie.
„Ay, Ay, Ay…“, der „Gärtner“ durchschaute mich und schüttelte den Kopf, „Richtet nicht, wie es so schön heißt. Das ist nicht aus Mangel an Intelligenz und Phantasie, sondern eine grundsätzliche Einhaltung des Urheberrechts.“
„Ja“, sagte ich und nahm eine Tasse Kaffee, „aber eigenartigerweise werden sie nicht von jedem befolgt, das hängt auch irgendwie vom Verhältnis zum jeweiligen Autor ab.“
„Und auch nicht immer, ehrlich gesagt. Aber das ist schon ein anderes Thema, ein leidenschaftliches, aber alles zu seiner Zeit und mit den richtigen Leuten. Und ich sehe, dass der Samen des Zweifels schon in deine Seele hineingetragen wurde. Während des letzten halben Tages hast du über mich genug ´Gutes´ gehört. Ein und dasselbe… Es ändert sich nur die Form und das Etikett.“
„Also, es ähnelt schwach einer Versuchung.“
„Und hast du gedacht, dass er dir alle Schätze der Welt und Flüsse aus Milch und Honig anbieten wird? Nicht in diesen Zeiten. Er hat dazugelernt, wurde hinterlistiger und raffinierter, streut Salz in jede Wunde und inzwischen manipuliert er die Menschen geschickt durch Zweideutigkeiten. Aber des Pudels Kern bleibt gleich. Normale Gespräche der Atheisten-Versager, die an den Rand des LEBENS geraten sind, und die für jeden Stolperstein auf ihrem Weg jemandem verantwortlich machen, nur nicht sich selber. Das Ziel ist immer dasselbe – Macht.“
„Eine angeborene Krankheit oder ein schrecklicher Flugzeugabsturz kann man schwerlich als Stolperstein auf dem Weg bezeichnen“, sagte ich plötzlich und ich erkannte meine Stimme nicht, derart kalt und fremd war sie.
„Das gilt für euch. Aber nicht für mich oder die Größenordnung dieses Universums… Ich bin ewig und unendlich. Und wie hat ein gemeinsamer Bekannter von uns auf der Erde gesagt: jeder Längenabschnitt wird im Vergleich zur Unendlichkeit Null.“
„Sogar unsere Seelen? Unser Geistesleben?“
Der Gärtner lächelte traurig.
„Jaja, meine irdischen Schüler haben zu viel des Guten getan. Zweifelsfrei seid ihr, alle Welten äußerst facettenreich und geheimnisvoll. (Ich habe mich da bemüht.) Aber du glaubst ja nicht wirklich, dass sie, diese Welten, unendlich sind? Entschuldige bitte meine Direktheit, aber dieses Gespräch muss jetzt so offen geführt werden, so wie niemals nirgendwo zuvor, ohne Hintergedanken und ohne Anspielungen. Nicht wahr?“, er kam zu Tisch herüber, setzte sich mir gegenüber in den Sessel und nahm eine Tasse Kaffee. „Ich sehe, du erwartest von mir nur eines. Antworten. Nun gut.“
Das Bild hinter den transparenten Wänden begann sich stark zu verändern.
Die Wolken verschwanden nach unten und klammerten sich an die Erde und im geschwärzten Himmel erschienen Sterne. Ein blau-violetter Planet fiel in den schwarzen Abgrund und verschwand in den Flammen seiner Sonne, die ihrerseits durch einen winzigen Funken mit der Vielzahl an Sternen in der Galaxie zusammengeführt wurde.
Und bald hat sich auch dieses riesige Sternensystem in einen kaum merklichen Nebelfleck verwandelt, der sich in der unendlichen sternenlosen Finsternis zwischen Milliarden solcher Flecken verlor. Alles entfernte sich weiter und schließlich sah ich die Struktur eines Universums – ein unendliches dreidimensionales „Fischernetz“, das aus unzähligen Galaxien gewebt worden ist.
Dieses „Netz“ dehnte sich majestätisch aus, so als ob es auf einen ungewöhnlichen, sich ausdehnenden Ball gespannt worden wäre, es verblasste und wurde rot. Jedoch verlangsamte sich seine Ausdehnung bis sie schließlich völlig zum Stillstand kam. Für einige Augenblicke war alles erstarrt, danach bewegte sich alles zurück: der riesige „Ball“ wurde weggeweht, das Fischernetz begann immer schneller werdend zusammenzuschrumpfen.
Aus irrgendeinem Grund war es mir klar, dass sich das Universum nicht von uns entfernte, sondern gerade schrumpfte, kollabierte, es brach in sich zusammen. Schlussendlich quetschte es sich in einem Punkt zusammen – zur kosmischen Singularität – ein unglaublich enges und verwickeltes mehrdimensionales Raum- und Materienknäuel, dem ein Big Bang folgte.
Ich dachte, dass ich von diesem umfassenden, totalen Licht geblendet werden würde. Es handelte sich um das gesamte Wellenspektrum. Irgendwie wusste ich das, obwohl meine Augen selbstverständlich nur einen winzigen Teil des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen konnten.
Dann zerstreute sich die Materie in alle Richtungen, sie begann in Gaswolken zu zerfallen, aus denen erneut Sterne und Galaxien entstanden, Supernovas begannen auszubrechen und das Universum mit neuer Materie anzureichern, darunter auch mit schweren Stoffen, die sich wiederum zu einer neuen Sternengeneration sammelten, welche von erdähnlichen Planeten umgeben waren… All das fand in einer extrem hohen Geschwindigkeit statt, und dann sah ich das bekannte, sich langsam ausdehnende „Fischnetz“.
Und alles begann erneut.
Um sich unendlich oft zu wiederholen.
„Das liegt schon eine Ewigkeit zurück“, begann er, „in einem beinahe endlosen, und von eurem Universum getrennten Universum. Das ist mein ursprüngliches Universum. Es pulsiert, wie du siehst. Wobei all das spielte sich in einhundert Milliarden Jahren ab. Diese Zeitspanne ist für gewöhnliche Zivilisationen, die maximal zehn oder zwanzig Millionen Jahre leben, natürlich unvorstellbar, aber für Biomasse gab es hier ohnehin keine Zukunft: Die Singularität zwischen den Zyklen vernichtet absolut alles, und alles beginnt jedes Mal sozusagen erneut mit einem weißen Blatt Papier. Und darüber müsste eine Gemeinschaft, die in das Stadium einer ewigen Existenz eintritt, stark nachdenken. Und dann erschien so eine Gemeinschaft in einem ´wunderbaren Zyklus´. Anfangs war das eine Vereinigung von fünf Sternen, die nicht weit voneinander entfernt waren, deren Rassen hatten sich eine zuverlässige Kommunikation zwischen einander aufgebaut – der sogenannte Bund der Fünf. Danach folgten weitere, für einen sich stark entwickelnden und suchenden Verstand typische, logische Schritte: der Übergang zu einer stabilen Entwicklung, die Expansion in die Galaxie und die Erschließung all ihrer Ressourcen, Entwicklung von Hightech, darunter auch die mentale Cyperbiologie mit der anschließenden Gründung eines kollektiven Verstandes, theoretische Untersuchungen des Wesenskerns des Universums sowie des Lebens und das Verstehen ihrer fundamentalsten Grundgesetze. Bereits zu Beginn der Expansion über die Galaxiegrenzen hinaus, war die Vereinigung ein wahres überzivilisatorisches Überwesen, welches durch überhaupt nichts bedroht wurde. Verschiedene Hyperräume, Nulldurchgänge, Telepathie, Unsterblichkeit (einschließlich der biologischen Unsterblichkeit) – das alles gab es bereits in der Vergangenheit. Man könnte sagen: Jeder nach seinem Stern, jedem nach seinem Planeten! Insbesondere, da Sterne im Naturkundeunterricht jetzt nicht mehr nur die Begeisterung entfachen, sondern tatsächlich in Flammen aufgehen. Die Vereinigung hat bereits im Vorbeigehen andere Galaxien und Räume erobert – ein weites Universum. Wenn die Vereinigung hier und da eine vielversprechendere Rasse traf, begann sie zu requessieren, das heißt, diese in Obsorge zu stellen, indem sie diese Rasse (nach dem biologischen Tod) in die zentrale Energiebank eingliederte – eine Lichtenergiebank. Warum Licht? Weil fast alle Rassen Licht mit dem Guten assoziieren. Das war sowohl einfach als auch lustig: Es genügte dafür, dass sich die Ureinwohner ihren Gott vorstellen konnten, selbstverständlich wurden ihnen „einschlägigen Beweise“ zu Verfügung gestellt und ihnen auch eine Perspektive für ihre Seelen aufgezeigt, danach gaben sie ihre Seelen selbst ab und waren bereit, für dich bis ans Ende des Universums zu gehen. Natürlich nicht alle Individuen, doch für die Vereinigung reichte es.
Selbstverständlich muss man, wenn durch den wissenschaftliche Fortschritt die Zahl der Ungläubigen ansteigt, diesen Fortschritt korrigieren – entweder muss man den Fortschritt hemmen oder die Ungläubigen davon überzeugen, dass die Wissenschaft die Existenz Gottes zumindest nicht widerlegen kann, wenn diese sie schon nicht beweisen kann.
Im Allgemeinen hat sich die Gemeinschaft des Lichts, wie sich die Vereinigung jetzt nennt, auf einen bedeutenden Teil deines Universums ausgebreitet. Milliarden Jahre war ihre Existenz absolut ungestört bis… die Expansion des Universums faktisch aufhörte, und dann erinnerte sich unsere Superzivilisation daran, dass sie nur fast unverwundbar war.
Nur fast. Denn sobald Zeit und Raum aufhören werden zu existieren, wird die nächste kosmologische Singularität, in welche das Universum schrumpfen wird, alles und alle vernichtete. Sogar die Gemeinschaft des Lichts. Ihre kollektive Vernunft kam mit aller Kraft in Gang. Eigentlich kann man nicht sagen, dass sie früher nicht an diesem Problem gearbeitet hätte, aber in dem Moment begann eine kritische Phase: Es war nötig etwas zu unternehmen, bevor es im Universum zu einem unwiderruflichen Kollaps kam. Dann wäre jede Hilfe zu spät. Was man tun musste, war eigentlich jedem Kind klar, und das schon seit prähistorischen Zeiten, als die Gemeinschaftsmitglieder auf ihren Heimatplaneten saßen und noch nicht in den Kosmos flogen: man musste die Raumgeometrie ändern.
Und wie konnte man das tun…? Du wirst lachen, aber die Antwort auf diese Frage lag auf der Hand. Man musste selber nur zu diesem Raum werden. Zum Universum, wenn du so willst. Zu einer integrierten Intelligenz. Zu einem einzigen fundamentalen Wesen und einer Persönlichkeit. Zumindest fiel dem kollektiven Verstand damals nichts Besseres ein.
Es gab natürlich auch andere Vorschläge und Anregungen, aber diese waren noch lange nicht ausgereift, und dafür war keine Zeit. Nein, es lag wieder nicht an der technischen Ausführung, denn die Integration von Wesen war schon lange kein Problem mehr, aber man musste sich dazu auch entscheiden. Entscheiden, seine eigene Persönlichkeit zu verlieren, seine Individualität, weil all das in einem einzigen ganzen Megawesen aufgehen würde. Ganz zu schweigen davon, dass man die verschiedenen Privatgalaxien mit gemütlichen kleinen Planeten unter warmen Sonnen verlieren würde.
Sich retten oder einfach mit seinem ganzen Hab und Gut untergehen, ohne eine Spur in der globalen Katastrophe zu hinterlassen. Natürlich wird das erst in fünfzig Milliarden Jahren sein, aber was sind fünfzig Milliarden Jahren für Unsterbliche? Selbstverständlich hätte man sich in dieser Zeit vielleicht etwas anderes ausdenken können, aber das Risiko war groß.
Und es war wohl die schwierigste Entscheidung in der Geschichte der Gemeinschaft. Das ähnelte stark einer Energiebankfusion von ´requessierten´ Rassen, in der nun die Bankeigentümer ´vereinigt´ wurden. Viele haben gemeint, es wäre besser zu sterben. Allerdings gewann doch der Überlebensinstinkt die Oberhand. Abermilliarden von Wesen wurden zu einem unteilbaren und mächtigen Organismus, der mit diesem Universum identisch ist, der den Raum in eine andere Richtung bog und seine Verdichtung war dadurch bereits ausgeschlossen. Ein pulsierendes Universum verwandelte sich in ein geöffnetes, welches sich bis zur Unendlichkeit ausdehnte.“
Ich sah, wie das „Fischernetz“ erneut begann zu wachsen, nachdem sich seine Ausdehnung zuvor verlangsamt hatte. Es schien mir plötzlich wie eine gigantische multidimensionale Blase, wie ein grenzenloser Wulst.
Mein Gespächspartner stellte seine Tasse auf den Tisch. Er fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen.
„Irgendetwas stimmt nicht…“, er seufzte, „mit diesem Kaffee. Findest du nicht? Ach, alles muss man selber machen…“
Meiner Meinung und meinem Geschmack nach, war der Kaffee absolut in Ordnung. Aber als ich im nächsten Moment am Kaffee nippte, erschien er mir einfach kolossal, einzigartig. In dem Ausmaß, in dem dieses Getränk überhaupt kolossal und einzigartig sein kann.
„Aber ich schweife ab. Fairness halber muss man sagen, dass trotzdem nicht alles zu diesem universalen Megawesen wurde. Besonders Unvereinbare blieben separate Persönlichkeiten, du weißt, vom Typ ´besser tot, als…´ oder von denen, die dachten, dass man das Problem anders lösen könnte. Trotz des Drucks. Davor sorgten sie ständig mit ihren sogenannten Hirngespinsten ´Freiheit und Selbstbestimmung´ für eine ´Singularitätstrübung´ und störten damit sogar Rassen beim ´Requessieren´. Unter ihnen stach besonders ein Physiker und Cyperbiologe hervor, ein völlig egoistischer Individualist. Rate einmal wie sein Name war! Ich geb´ dir einen Tipp. Satanаl. Gegen sie, gegen unsere freiheitsliebenden Bekannten, wurden nach der Fusion keinerlei Repressalien ergriffen. Sie haben sich irgendwie von alleine aufgelöst, sie haben sich in alle Winde zerstreut, nachdem sie offensichtlich Eingänge in andere Universen entdeckt hatten – Portale: Denn diese Sturköpfe, sie waren ja nach wie vor Überwesen, obwohl sie getrennt blieben. Irgendwie war es ekelhaft, in diesem Universum zu bleiben, stell dir vor, in einem allmächtigen Megaorganismus zu leben – in einer höheren Macht, wie man auf der Erde sagen würde… Jedoch ist das noch nicht die ganze Geschichte. Eigentlich musste unser Superwesen nur noch einen, den letzten Schritt machen – übergehen in einen Seins-Zustand außerhalb der Raum-Zeit jenes Ursprungsuniversums. Sich über das Universum stellen, wenn du so willst. Was auch bald geschehen ist, wenn man den extrem schnellen Energiewachstum und den Entwicklungsstand dieser höheren Macht beachtet. Voilà, letzter Halt, das Absolute, eine höhere Macht, ein Schöpfer, die fundamentalste Einzelperson… nenne es, wie du willst. Unser Megawesen vereinigte sich mit der fundamentalsten aller Substanzen, aus der erst das ganze Universum entstand – mit einem Primärvakuum.“
Hinter den durchsichtigen Wänden dehnte sich das Universum aus und wurde dann plötzlich zu einer winzigen Blase in dieser endlosen, multidimensionalen Ursubstanz. Die Substanz ähnelte einem unglaublichen Kochkessel mit unzähligen Bläschen-Universen darin, die durch unüberwindbare, mehrdimensionale Barrieren voneinander getrennt waren. Jedes dieser Universen, von denen eines schrumpfte und die anderen wuchsen, war durch seine genau definierte Anzahl von Dimensionen und durch seine physikalischen Konstanten einzigartig…
Es ist unmöglich, das mit Worten zu beschreiben. Es ist sogar unmöglich, sich das mit einem „unvollkommenen menschlichen Geist“ vorzustellen, wenn man sich eines philosophischen Klischees bedienen möchte.
Man muss es einfach sehen.
Er erhob sich von seinem Stuhl, ging langsam zu der „Wand“ hin (man hätte leicht vergessen können, dass es überhaupt eine Wand gab) und fuhr mit dem Finger über eine „Blase“.
„Ich habe befürchtet“, sagte er mit einem Seufzer, „dass dieser Platz bereits vergeben ist. Genauer gesagt, ich war mir fast sicher. Zu meiner Überraschung (und Freude), habe ich herausgefunden, dass das nicht der Fall war! Ein zusammengefasstes Fermi-Paradoxon: die Unendlichkeit der Zeit und des Raums muss früher oder später zwangsweise zu einem Überwesen führen und im Endeffekt zu Gott. Aber es gibt ihn nicht… genauer gesagt, es gab ihn nie. Ich hätte nie gedacht, dass ich das zugebe, aber die Atheisten hatten Recht… Obwohl das jetzt eigentlich nicht mehr wichtig ist. Wenn ich selbst unbestimmt lange ein Primärvakuum außerhalb des Raums und außerhalb der Zeit, ein Anfang und ein Ende bin, dann verlieren alle Gespräche darüber, was zuerst war, der Verstand oder die Materie, jeden Sinn. Beantworte mir jetzt folgende Frage. Was denkst du, muss derjenige fühlen, der allmächtig, allgegenwärtig, ewig und endlos ist? Für ihn existiert nirgends und niemals nur eine einzige Frage, kein einziges Rätsel, und alle Dinge, wirklich alle, sind im Vergleich mit ihm Null.“
„Ich würde mich aufhängen“, antwortete ich kurz und ohne zu überlegen.
„Und dafür wäre es nötig, sich vor der Singularität zu retten?“, er lachte, „Obwohl das eine der sehr wahrscheinlichen Antworten auf das Fermi-Paradoxon wäre: Warum war mein Platz frei. Jemandem, der sich an den Blasen-Universen satt gespielt hat, an den strategischen Gemetzeln mit seinen ´Gegenspielern´, am Spiel ´Familie´, am Spiel ´Räuber und Gendarm´, und das mit und gegen allen möglichen Rassen, so jemandem wie mir verbleiben als einzige Unterhaltung und Lebenssinn nur die Paradoxien. So wie das berühmte Gott-Paradoxon. Du weißt schon: wenn Gott allmächtig ist, warum kann er dann keinen Stein erschaffen, den nicht einmal er selber hochheben könnte. Natürlich ist das stark vereinfacht, aber sinngemäß. Du denkst schon in einer richtigen Art und Weise, denn anderenfalls gäbe es Langeweile. Eine allmächtige und alles umfassende Langeweile, vor der es kein Entkommen gäbe. Nein, glaube bloß nicht, dass all diese Paradoxien für mich nicht lösbar wären – wenn du dich erinnerst, für mich gibt es schon lange keine unlösbaren Probleme. Aber es gibt kleine Übungen, Training für den Verstand…“, er machte eine kleine Pause und ging dabei durchs Zimmer. Dann fügte er noch hinzu: „Möchtest du noch etwas erfahren, mein Kind?“
Hinter den Büromauern erschien erneut die ursprüngliche Landschaft – der Luftraum eines schönen Planeten.
Und ich saß erneut fassungslos da. Das zweite Mal an diesem Tag. Aber Kleines, was hast du denn vom Jenseits erwartet? Nachdem, was ich hier erfahren hatte, hätte man mich eigentlich auch gleich umbringen können – das Mädchen, das zu viel wusste…
Verdammt noch mal, (Entschuldigung), so komme niemals zurück auf die Erde.
Bei dieser Fülle an Wissen zumindest nicht in meinen früheren Körper. Ein Schauer jagte mir über den Rücken. Diese ganze Offenheit wärmte mich überhaupt nicht und auch nicht dieses Offenbarung, dieses Information, für die viele Wissenschaftler auf der Erde ohne zu zögern ihre ganzen Gliedmaßen und Organe eingetauscht hätten.
Denn es bedeutete, dass mein irdischer Weg zu Ende war.
„Keine weiteren Fragen…“
„Was wird aus ihm werden?“, fragte ich, denn es war mir wirklich wichtig, „was wird aus Andrej?“
Er lächelte, ging zu mir hinüber und wischte mir die Tränen mit seinen großen warmen Händen ab.
„Er wird ihm gut gehen. Ich verspreche es.“
Und hier, in der Gesäßtasche seiner Shorts piepste etwas Vertrautes. Dieses Mal war es die Mondschein-Sonate (Beethoven war hier beliebt). Er lehnte das Handy ans Ohr:
„Ich hatte doch gesagt, ich bin nicht da! Also gut, mach´. Turm e-8, e-6? Okay, passt. Bis bald.“
Er ging zur Vorderwand der Halle auf der sich eine riesige holografische Weltkarte befand und beugte sich über das breite Gesims, das von der Wand hervorragte. Erst jetzt bemerkte ich… dort lief ein Schachpartie.
„Langweilig…“, seufzte der Großmeister während er das Spiel studierte.
Und ich dachte plötzlich, dass es nichts Schlimmeres gäbe, als so zu tun, etwas als gut darzustellen, was im Prinzip nicht gut war.
„Also bist du bei mir?“, fragte er plötzlich, während er sich zu mir herüber drehte und mich dabei aus meinen abgeschweiften Gedanken riss. Eine eigenartige Frage. Weil ich den Test scheinbar bestanden hatte… „Ja, du hast bestanden. Aber ich gebe jedem die Wahl. Oder hast du das etwa vergessen? Ich zwinge niemandem meine Freundschaft auf. Wenn jemand auch nach bestandener Prüfung noch Zweifel hat, bin ich bereit, zu warten. Wie du selber verstehst, eilt es nicht, wir haben alle Zeit der Welt. Ich sehe Zweifel in dir… Daher kann ich dir momentan drei grundsätzliche Varianten vorschlagen. Erstens: mit der Gesamtmasse des Lichts verschmelzen. Du findest endlich den langersehnten Frieden – einen ewigen, frohen und süßen Traum. Aus dem du nicht aufwachen wollen würdest… Zweitens, du kannst ein Engel werden. Und drittens, das ist für die Unentschlossenen – ein Beobachter. Oder ein Wanderer, wenn dir das besser gefällt. Wähle aus.“
Das war die Auswahl.
Entweder ein ewiges Koma, Zinnsoldaten, Seite an Seite mit angeblich meinen ungeborenen Kindern (damit ich mich auf ewig schuldig fühle) oder eine verlorene Seele. Einfach ausgedrückt. Vermutlich stimmt irgendetwas mit mir nicht.
Vermutlich will ich viel. Vermutlich ist das mein Charakter. Stolz. Was bist du für eine, um darüber zu sprechen??? Was bist du für eine, um mehr zu fordern?! Noch mehr?!!
Man wünscht mir doch Gutes.
So darf man das doch nicht machen…
„Und kann ich zurück?“, ich machte ein Foul als letzte Hoffnung. Wobei es keine Hoffnung gab, „Ich bin bereit, alles zu vergessen, was ich hier gehört und gesehen habe.
„Ach, Kindchen, leider. Es ist zu spät. Für diese Gestalt. Es geht nur noch durch Geburt. Möchtest du?“
Und alles beginnt von vorne? Wieder Windeln und… alles, alles, was danach kommt?… Verschieden Kriege, Katastrophen, Autos… Ach, nein danke.
„Wird es einen Krieg geben? Einen Weltkrieg.“
Das war meine letzte Frage.
„LANGWEILIG….“, hörte ich anstelle einer Antwort.
…. Ein winziger Teil der Unendlichkeit verging. Es gab schon lange weder die Erde, noch die Sonne. Und die Galaxien in diesem stark erweiterten Universum aus majestätischen Sternensystemen verstreuten sich in ungeheuerlich weit voneinander entfernten Häufchen, welche einerseits aus unansehnlichen roten Zwergen bestanden, den langlebigsten Sternen, und andererseits aus verbrannten „Kohlenstücken“ und Staub, den Überersten normaler Sterne.
Zahlt es sich aus, über eine Menschheit zu sprechen, die irgendwie immer der Meinung ist, dass das ganze Universum für sie einen Kampf „Gut gegen Böse“ austrägt?
Nach den unterschiedlichen Weltkriegen – sowohl dem Dritten als auch dem Vierten als auch dem Fünften… – vereinigten sich ihre Überreste (gemeint sind jene, der Menschheit), sie verschmolzen zu einer höher entwickelte Rassen, die sich letzten Endes wiederum in geistig höher entwickelte Rassen auflösten, aber genauso jene, welche die Ebene „Überwesen“ nicht erreichten, verschwanden in der Dunkelheit von Milliarden Jahrhunderten…
Ich habe das alles gesehen. Fragen Sie nicht, wie und in welcher Gestalt.
Weil ich – eine Beobachterin bin.
Ich sah die Geburt von Sternen, den Tod von Planeten, den Fall von Zivilisationen. Und das nicht nur in unserem Universum – eine ewig wachsende Blase im Körper eines Primärvakuums. Und das überall in allen Universen – in unendlich vielen physikalisch unterschiedlichen, eines von diesen dehnte sich aus, die anderen schrumpften, die dritten sind überhaupt eingefroren (es gab auch jene, in denen nur einige Dimensionen eine Dynamik hatten), und ein paar Sekunden in der einen entsprachen Milliarden Jahre in der anderen – in all diesen Blasen war es immer ein und das gleiche.
Der unaufhörlichen Kampf „Gut“ gegen „Böse „.
Dabei sehen beim Ersten fast alle ein, dass es für sie persönlich gut ist (sagen wir, eine Verlängerung ihrer nichtsnutzigen Existenz und ihres Wohlstands), aber beim Zweiten – das ist eine objektive Realität, ein natürlicher Zugang zu der Welt. Das, wofür es sich eigentlich lohnt.
Und überall gibt es eine SML– Sterben mit Langeweile, wie ich IHN nenne (der Name stört ihn übrigens nicht), der sich durch Paradoxien amüsiert, der für seine nächste Schachpartie dazu bereit ist, eine unbestimmte Anzahl seiner Engeln oder allgemein seiner „Lichtenergie“ zu verschwenden: Also seine, in Ewigkeit ruhenden, umgewandelten „treuen Diener“. Über seine „Gegenspieler“ höre ich selten etwas Vertrauenswürdiges. Hauptsächlich die bekannte Propaganda. Die sogenannte „Himmels-Info“.
Wie Sie wahrscheinlich bereits bemerkt haben, zweifle ich bis jetzt. Dabei wurden meine Zweifel durch das, was ich die letzten 90.000.000.000 Jahre gesehen habe nur verstärkt. Wissen ist der Hauptfeind des Glaubens – besser kann man es nicht sagen…
Ich will nichts mehr sehen oder hören. Ich will überhaupt nichts.
Ich bin es leid.
Langeweile.
Aber irgendetwas muss man wählen. Das sind die Regeln im „Kosmischen Spiel“. Sich in der Energiebank auflösen, das Bewusstsein verlieren und schlussendlich „ewig ruhen“? Vielleicht werde ich diesen süßen Traum eine Milliarde Jahren träumen, und dann werde ich durch irgendeine göttliche Vorsehung verbrannt… Hauptsache, es geht schnell und schmerzlos.
Mit Worten ist es unmöglich auszudrücken, wofür ich jetzt bereit bin, zumindest für einen Tag, für eine Stunde, dorthin zurückkehren, in die uralten Zeiten, auf den vorgeschichtlichen Planeten Erde, zu ihm! Wo ich wirklich glücklich war…
All das vergessen, wie einen schrecklichen Traum…
Stopp!
In der unendlichen, intergalaktischen Dunkelheit bemerkte ich plötzlich eine Null-Sonde – eine Suchkapsel, die im gegenwärtigen Universum nur von den entwickelsten, beinahe höchstentwickelsten Zivilisation für die Erforschung neuer Welten verwendet werden, die heute allerdings rar geworden sind. Zur Überwindung der heutigen unvorstellbar riesigen, intergalaktischen Leere braucht man nur eine Null-Sonde, die für die Bewegung über extrem weite Strecke hinweg den fundamentalsten Raum nutzt. Genau jenes Primärvakuum. Prinzipiell könnte man auf dieser Sonne in ein anderes Universum springen…
Wenn man genau wissen könnte, dass sowohl die Sonde als auch der Reisenden in jenem, anderem Universums nicht zu existieren aufhören würden – aus dem einfachen Grund physikalischer Gesetzmäßigkeiten.
Die einsame Kapsel ähnelte einer Glashalbkugel mit einem Durchmesser von zehn Meter, zeigte sich im gewöhnlichen Raum für einige Lichtminuten vom Punkt meiner Energielokalisation und bewegte sich langsam in meine Richtung.
So als ob sie etwas entdeckt hätte. Durch ein Erkennungszeichen stelle ich fest: Es ist Admaken.
Aber was hatte er hier verloren, inmitten dieser universalen Wüste?
Ich schaute genauer hin….
Das kann nicht sein!
„Hallo, grüß dich“, sagte Andrej, „Wie lange habe ich schon nach dir gesucht…!“
Nachdem ich mich in dieser Kapsel materialisiert hatte, stand ich vor ihm und für mich existierte außer ihm schon nichts mehr. Nein, er war es bestimmt, mein Andrej, und keiner, der seine Gestalt angenommen hatte. Ich war mir sicher. Ich fühlte es.
„Aber wie?“, mehr brachte ich nicht heraus.
„Überrascht?“
Ich hatte schon gedacht, dass mich niemand mehr überraschen könnte…
„Ich weiß. Aber es ist weder eine Täuschung noch eine Provokation. Das bin wirklich ich. Hier und jetzt. Die Sache ist, dass… ich den Vertrag mit ihm platzen ließ. Insbesondere, als das mit dir passiert ist… dieser Unfall, ich habe mit niemandem mehr Verträge abgeschlossen.“
„Aber ich …“
Er legte seine Finger auf meine Lippen. Diese sanften, warmen Hände… An welche ich mich für immer anschmiegen wollte.
„Ich weiß, Liebling. Ich weiß alles… Auf der Erde, (und nicht nur dort), haben wir alle in einer Täuschung gelebt. Aber für uns ist das Vergangenheit, reden wir nicht mehr darüber. Vor uns liegt eine ganze Ewigkeit. Nur du und ich.“
Wir umarmten einander fest. Einer dieser Momente, wenn Wörter unnötig sind. Sie stören nur. Alles vergeht, auch das Universum selbst – eine unbedeutend Raum-Zeit-Blase, völlig verbrannt. Aber Liebe, die wahre Liebe…
„Ich habe mich schlecht ohne dich gefühlt“, flüsterte er, „und ich wäre bereit, noch eine Ewigkeit nach dir zu suchen.“
Was kann sich eine Frau noch wünschen, wenn ein Mann, der Eine, ihr so etwas sagt?
„Fürchte dich nicht, das ist die Hauptsache“, sagte er plötzlich, „Ich bin bei dir.“
„Wovor soll ich mich fürchten?“, ich verstand nicht.
Und in diesem Moment begann er plötzlich zu… verblasen! Er wurde schwächer. Im tiefsten Inneren fühlte ich etwas Unvermeidbares, es kam näher, es stürzte von allen Seiten auf mich ein. Und ich merkte, dass eine Dunkelheit nahte.
Eine Dunkelheit, die man nicht sehen kann. Man kann sie sich nicht einmal vorstellen. Man kann sie nur fühlen. In diesem allerletzten Moment. Das war das Ende, nichts, absolut Nichts.
Leere.
Mir wurde eines plötzlich klar, eine natürliche, aber wunderbare und herzzerreißende Sache. Mit dieser konnte man sich nicht versöhnen. Das heißt, all das, alles, es warеn nur ….
Die letzten fünf Minuten – ein schlechter Scherz des Gehirns, das sich an dem Leben festhält.
Und ich glaubte es. Wir alle leben in einer Täuschung… Ich war trotzdem froh, dass ich diese letzten fünf Minuten hatte, die mir zumindest am Ende klar machten, was für ein Mensch ich gewesen war.
Wie auch immer – es ist nicht fair. Furchtbar. Mama! Andrej! Verlasst mich nicht!
Ich will nicht…!
Nein!
Und in diesem Moment, als beinahe alles verblast war, kalt und still geworden war, fühlte ich einen Hauch an meinen Lippen. Einen unverwechselbaren. Es schien, als ob mich die Liebe selbst küsste. Und wissen Sie, nach diesem Kuss wurde die ganze Dunkelheit unbedeutend…
Das war das Letzte, was ich fühlte.
Ich war trotzdem glücklich…
Epilog
„Lass es sein, Alter“, sagte ein Fremde mit einem griechischen Profil traurig zu Andrej, der sich über den Körper des Mädchens beugte, „Wir können nichts mehr tun: fünf Minuten sind vorbei. Sie ist gestorben. Da kommt schon die Rettung.“
Aus der Ferne hörte man bereits die näher kommenden Sirenen. Andrej machte ein letztes Mal verzweifelt eine künstliche Beatmung, erhob seinen Blick in den Himmel und ein Schrei entfuhr seiner Brust, der, so schien es, die ganze Stadt erschütterte:
„Neiiiiin!“
Dann drückte er ein letztes Mal seine Lippen auf ihre.
…Auf dem Asphalt lag ein junges, schönes Mädchen in einem Abendkleid und mit klaren, weit aufgerissenen Augen, die in den wolkenlosen Himmel schauten. Sogar der Tod konnte ihre Schönheit nicht brechen. Es schien, als ob sie leicht lächelte.
Wobei das nur für denjenigen erkennbar war, der sie liebte.
Ukraine, Mykolaiv, 24. Mai 2000
Bild von Ljubov Nikolaeva
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